von Corina Rink
Gemeinsam sprechen, lachen, entspannen und Akkus aufladen – so geht ein vollkommenes Pflegemütter-Wochenende
Nach einer längeren Corona-Pause von immerhin jetzt 2,5 Jahren konnte endlich das beliebte Mütterwochenende des Fachbereichs Pflegefamilien beim St. Elisabeth Verein vom 17. bis 19. Juni wieder in Präsenz stattfinden. Im Hotel Quellenhof in Bad Wildungen trafen sich live und bei bester Laune, diesmal in etwas kleinerer Gruppe als üblich, und diesmal im Sommer und nicht wie gewohnt im Januar, die Pflegemütter in geselliger Runde und zum gemeinsamen Austausch, der allen besonders wichtig ist, denn: „Zusammen ist man weniger alleine“ (Anna Gavalda 2006)
In diesem Jahr wurde das Wochenende unter dem Motto „vollkommen unvollkommen“ gestaltet.
Alles begann mit einer Begrüßungsrunde durch das Vorbereitungsteam am Freitagabend, bei dem heitere, aber auch ernste und tiefer gehende Aspekte zu den Themen Perfektionismus, Selbstoptimierung bzw. Optimierungswahn oder ähnliches benannt und gedacht wurden.
„Höher, weiter, besser“, ist im Trend und scheint weitverbreitet, ist aber auch anstrengend und macht uns Stress. Wie wäre es an der ein oder anderen Stelle mal mit „gut ist gut genug“? Der Gesundheit wegen und auch der guten Laune, sprich dem Gefühl der Zufriedenheit.
Lebensfreude im Vordergrund und nicht ausschließlich Leistung.
Die Idee anstatt einer „To do“- Liste eher mal eine „Juchhu“- Liste zu erstellen und diese genauso pflichtbewusst abzuarbeiten, fand bei den Frauen allgemein Anklang, ebenso die Einladung, sich am „reichhaltigen Buffet des Lebens zu bedienen“ wurde allseits gut aufgenommen.
Das Pareto Prinzip
Vom „Pareto Prinzip“ wurde in der Eingangsrunde berichtet: Dieses befasst sich mit der Beziehung zwischen Aufwand und Ergebnis: Es wurde nämlich wissenschaftlich festgestellt, dass mit 20 % Aufwand, bereits 80 % des Ergebnisses geschafft werden.
Das bedeutet, wenn man z.B. einen Vortrag 5 Stunden lang vorbereitet, hat man nach 1 Stunde bereits 80 % erreicht, um später begeisterte Zuhörer zu haben, die applaudieren und zufrieden heimgehen. Für die restlichen 20 % (die später kaum einer bemerken wird) arbeiten wir 4 weitere Stunden, aber eigentlich nur noch im Sinne von Maniküre.
Der Gedanke bei 80 % einmal mit sich zufrieden zu sein, um die restlichen 4 Stunden etwas Schönes zu unternehmen, wurde wohlwollend aufgenommen.
Um mal einen Lehrer meiner Tochter zu zitieren: „Ein gutes Pferd hüpft nur so hoch, wie es muss“. Mit diesem Satz wird er sicher nicht auf allen Ebenen recht behalten, aber im Kontext zum Thema liebevollem Umgang mit sich selbst, sprich Selbstfürsorge ist er dann doch hilfreich und wahr.
Kreative Umsetzung
Nach dem kleinen Impulsvortrag durften sich alle Teilnehmenden künstlerisch betätigen.
So entstanden nach gemeinsamer, teils abstrakter, teils naiver Malerei, vollkommene und unvollkommene Werke, die später in einer würdevollen und auch heiteren Vernissage geschätzt wurden.
Die Bildbesprechungen mit dazugehörigen Assoziationen waren kreativ, lehrreich, für „Nicht-Kunstkenner“, also quasi Kulturbanausen -erhellend, sowie herrlich amüsant.
Sie dienten dem näheren Kennenlernen untereinander und der allgemeinen Erheiterung, die an solch einem Wochenende auf keinen Fall zu kurz kommen darf.
Zu späterer Stunde konnte Frau den schönen, lauen Sommerabend nutzen, draußen sitzen und in gemütlicher Runde Geschichten hören und/ oder erzählen.
Am Samstag gab’s nach einem leckeren Frühstück, diesmal unter freiem Himmel, was im Januar natürlich so nie möglich war, wie immer ein Kreativangebot.
Kreativität ohne Grenzen
Es wurde Schmuck aus besonders edlen Materialien hergestellt. Dieser kleine Workshop wurde von einer Pflegemutter angeleitet. (Danke an Frau Wirth dafür)
So entstanden sehr hübsche Halsketten und selbst Frauen, die mit Bastelei nicht viel am Hut haben, hatten sich getraut und teilgenommen und gestaunt, was sie doch alles zustande bringen.
Am Nachmittag haben wir dann richtig Theater gemacht; -).
Ausdrucksstark und unterhaltsam konnten die teilnehmenden Frauen in andere Rollen schlüpfen und sich vollkommen unvollkommen, unter Anleitung von Antje Kessler vom Improtheater in Marburg, also eines Profis, im Darstellen und Theatern ausprobieren und hingeben.
Einige zunächst recht skeptische Teilnehmerinnen konnten am Ende des ganzen Theaters nicht mehr recht verstehen, warum sie zögerlich waren, da sich dies im Nachklang als unnötig herausstellte.
Vergnügliche Abendrunde
Nach dem Abendessen saßen fast alle Pflegemütter gemeinsam an einem langen Tisch noch lange draußen und genossen den sehr heißen, ja tropischen Sommerabend bei guten Gesprächen, gemeinsamen Lachen und bei Cocktail oder Saft.
Diese Nähe und das Miteinander hatten fast etwas Magisches nach einer so langen Pause wegen des Virus. Allen hungerte es offenbar nach Kontakt und echten Menschen. Wie schön, dass man so unbeschwert und sicher im Freien sein konnte.
Bei allem, was aktuell auf der Welt belastend und nahezu unerträglich ist, sei es das Virus-Thema, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Klimawandel oder Wassernot, und noch so manches mehr, all diese Dinge konnten an diesen Tagen, wenigstens für einen Moment, ein wenig blasser werden. So kam das Wochenende gerade recht und gab Leichtigkeit und Kraft für den Alltag der Mütter, der sich ja meist sehr anspruchsvoll und nicht selten auch anstrengend und manchmal auch schwer gestaltet.
Es wurde so deutlich, wie wichtig es ist, sich persönlich zu begegnen, um die Gemeinschaft mit anderen zu spüren.
Mir fiel ein Gedanke von Luise Reddemann ein: In ihrem neuen Buch: „Die Welt als unsicherer Ort“ beschreibt sie u.a., wie sehr die Menschen voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind.
Am Sonntagmorgen nach der Abschlussrunde konnten die Mütter dann noch Kontakt mit der stellvertretenden Geschäftsbereichsleitung Monika Watermann aufnehmen und ihre Fragen stellen.
Noch ein letzter kleiner Mittagsimbiss diente der Verabschiedung und so endete das Mütterwochenende 2022 mit fröhlichen und gut gelaunten Frauen, die hoffentlich wieder einmal zusätzliche Kraft getankt haben, um ihre Aufgaben zu Hause wieder voller Elan aufzunehmen, vielleicht und hoffentlich mit dem Gedanken und den Gefühlen, dass Frau so wie sie ist, gut ist.
Andere kochen nämlich auch nur mit Wasser.
Die zu hohen und unrealistischen Ziele sowie andere Nerv tötende, kraftraubende Optimierungswahn-Ideen und negativen Glaubenssätze und somit Stresstreiber schrieben die Frauen (falls noch oder überhaupt vorhanden) am Ende des Mütterwochenendes auf Luftballons und ließen diese dann in einem Ritual, gemeinsam mit einem großen Knall platzen
…und somit in Bad Wildungen zurück.